Programme privater Radiostationen Deutschschweiz Süd 2013

Die privaten Veranstalter in der südlichen Deutschschweiz verfolgen zum Teil sehr unterschiedliche Programmkonzepte, die in stark unterschiedlichen Wortanteilen zum Ausdruck kommen und denen verschiedene Radiophilosophien zugrunde liegen. Der Stellenwert der Regionalinformation ist insgesamt höher als in der übrigen Deutschschweiz, im Vergleich zum Vorjahr aber ebenfalls rückläufig. Die Programmdynamik ist hoch, was sich vor allem in den Musikformaten äussert.

Die Programmanalyse der privaten Veranstalter 2013 (Deutschschweiz Süd) berücksichtigte 15 Programme.

Unterschiedliche Radiophilosophien bestimmen Programmformate

Die Programmstrukturen der privaten Radios in der südlichen Deutschschweiz weisen – anders als im Norden – zum Teil grössere Unterschiede auf. Insbesondere stechen Radio BeO und Central durch für Privatradios atypisch hohe Wortanteile auf, die bei Central die Hälfte, bei BeO sogar noch etwas mehr als die Hälfte der Programmzeit in der Prime Time ausmachen. Im Falle von Radio Central ermöglicht der hohe Wortanteil auch eine Differenzierung gegenüber den direkten Konkurrenten in der Zentralschweiz. Lassen sich die programmstrukturellen Unterschiede in der Zentralschweiz mit dem Wettbewerb erklären, so entfällt dieses Erklärungsmuster bei Radios, die in ihren Versorgungsgebieten keine private Konkurrenz haben. Dass Radio Engiadina oder Neo 1 dem Wort nur halb so viel Platz einräumen wie Radio BeO oder Rottu kann kaum auf strukturelle Faktoren bzw. grundsätzlich anderen Hörbedürfnissen des Radiopublikums in diesen Gebieten zurückgeführt werden. Die Konzessionsgebiete dieser Radios weisen nämlich viele sozio-ökonomische Gemeinsamkeiten (periphere Gebiete mit vergleichsweise starker Bedeutung des Primärsektors und des Tourismus) auf. Auch profitieren alle gleichermassen von Gebührengeldern. Es lässt sich anhand dieser Beispiele vielmehr vermuten, dass es weniger die Rahmenbedingungen sind, welche die Programmstrategien der Veranstalter bedingen als deren publizistisches Selbstverständnis.

In Gebieten mit Wettbewerb ist die Musik ein zentrales Differenzierungsmerkmal und Indikator für eine bestimmte Zielgruppenfokussierung. Im Raum Bern grenzt sich Energy Bern von seinem direkten privaten Konkurrenten klar durch ein jüngeres Musikformat ab, das auch einen etwas anderen Stilmix impliziert. Die beiden ländlichen Radios BeO und Neo 1 praktizieren punkto Stilmix ein sehr ähnliches Format, Neo 1 setzt aber noch viel stärker auf ältere Titel. In der Zentralschweiz sticht Radio Central heraus, das musikalisch ebenfalls auf ein älteres Publikum fokussiert, und sich damit deutlich von den anderen Privatradios abgrenzt. Die Entwicklungen in diesem Raum sind auch vor dem Hintergrund des Zusammenschlusses von Radio Sunshine und Central zu sehen, der im Verlaufe des Jahres operativ vollzogen wurde. Welche Auswirkungen dies auf die Programmsituation hat, kann noch nicht abschliessend beurteilt werden. Die Entwicklung seit 2012 deutet aber auf eine Marktsegmentierung hin: Sunshine hat sein Musikformat im Vergleich zum Vorjahr nämlich stark verjüngt. Die Programmdynamik ist in der Radiolandschaft der südlichen Deutschschweiz generell hoch. Mehrere Radios haben ihre Musikformate innert Jahresfrist stark überarbeitet.

Hoher, aber abnehmender Stellenwert der Regionalinformation

Ebenso wie in den anderen Regionen der Schweiz sind auch in der südlichen Deutschschweiz die privaten Radios bemüht, ihrem Publikum ein möglichst vollständiges Bild des Weltgeschehens zu präsentieren. Der Anteil des Auslands und der (nationalen) Inlandthemen liegt zwischen 30% (Canal 3 d) und 60% (Radiofr d). Anders als in der nördlichen Deutschschweiz hat die Regionalinformation im Süden aber einen höheren Stellenwert. Absolut betrachtet ist der durchschnittliche Output an Regionalinformation der Privatradios in der südlichen Deutschschweiz auch grösser als beim öffentlichen Anbieter. Allerdings sind die Unterschiede beträchtlich: Radio Central und BeO strahlen rund sechsmal mehr Regionalinformationen aus als Energy Bern. Zudem muss – wie in anderen Regionen der Schweiz – ein Rückgang der Regionalinformation zu Gunsten der Auslandberichterstattung konstatiert werden. Besonders deutlich ist dies bei Energy Bern und Radio Grischa der Fall.

Alle Privatradios der südlichen Deutschschweiz decken ein breites thematisches Feld ab, wobei Politik, Gesellschaft und Sport zumeist im Vordergrund stehen. Einige Radios nutzen indessen die Chance ihr Programm gegenüber anderen Anbietern auch thematisch zu profilieren. So favorisiert etwa Bern 1 politische und gesellschaftliche Themen, während Energy Bern Boulevardthemen hoch gewichtet. Aber auch in Gebieten ohne private Konkurrenz sind thematische Akzentsetzungen zu beobachten. Zum Beispiel räumen Radio Neo 1 oder Central dem Sport einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert ein. Zwar ist der Themenmix auch durch die jeweilige regionale Ereignislage bestimmt, doch sind auch unterschiedliche Selektionsstrategien erkennbar, was zum Beispiel im äusserst unterschiedlichen Gewicht der Boulevardthemen zum Ausdruck kommt: Nur sieben Prozent nehmen diese bei Radiofr (d) in Anspruch, dreimal soviel sind es bei Energy Bern.

Kein klarer Zusammenhang zwischen Informationsleistung und Gebühren

Der Anteil Information am Gesamtprogramm der Prime Time schwankt bei den Privatradios der südlichen Deutschschweiz zwischen 9% (Energy Bern) und 32% (Radio Central). Vier Radios (Rottu, Central, Sunshine, BeO) investieren mehr als ein Fünftel der Programmzeit in Informationen, zwei (Bern 1, Energy Bern) nur ein Zehntel oder weniger. Der – wenig aussagekräftige – Durchschnitt liegt mit 17% deutlich höher als in der nördlichen Deutschschweiz. Doch anders als dort oder in der Romandie ist der Zusammenhang zwischen Informationsproduktion und Gebührenteilfinanzierung nicht so klar. Zwar haben die Gebührenradios BeO und Rottu hohe Informationsanteile, doch trifft dies ebenfalls für Sunshine oder noch stärker für Central zu, die keine Gebühren erhalten. Andererseits bekommen zwar Neo 1, Grischa und Engiadina Gebühren, ihre Informationsanteile sind aber unterdurchschnittlich. Insgesamt ist die Informationsproduktion im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen, nur Radio Sunshine hat diese ausgebaut.

Wird lediglich die – konzessionsrechtlich relevante – Regionalinformation betrachtet, sind die Leistungsunterschiede in der Prime Time noch frappanter: Während 43 Minuten pro Werktag strahlt Radio Central regionale Informationen aus. Kaum weniger sind es bei BeO und Rottu. Nur gerade sieben bzw. zehn Minuten sind es bei Energy Bern und Bern 1. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Regionalinformationen deutlich rückläufig. Im Durchschnitt büssten die Privatradios im Süden der Deutschschweiz seit 2012 vier Minuten pro Werktag an Regionalinformation ein. Stark abgebaut haben insbesondere Energy Bern, Grischa und Engiadina. Die SRF-Regionalprogramme dagegen haben den Output an Regionalinformation um zwei Minuten pro Werktag erhöht.

Was die Qualität der Informationsaufbereitung anbelangt, ist das Bild uneinheitlich. Punkto formaler Vielfalt der Informationspräsentation erreicht kein privates Radio das Leistungsniveau der SRF-Regionalprogramme. Einzig Energy Bern kommt in deren Nähe. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Formenvielfalt der Privaten in der südlichen Deutschschweiz zudem rückläufig – nur Radio Sunshine widersetzte sich diesem Trend. Hinsichtlich thematischer Vielfalt lassen jedoch die meisten Privatradios die Regionalprogramme von SRF, die von Politik dominiert sind, hinter sich. Eine besonders breite Themenpalette präsentieren Radio Engiadina, Rottu und Energy Bern. Auch die Quellentransparenz ist bei den Privaten noch um eine Spur höher als bei den SRF-Regionalprogrammen, hingegen sind die Orientierungsleistungen – ausser bei BeO und Energy Bern – meistens deutlich schwächer.

Geografische Schwerpunktsetzung dient der Abgrenzung gegenüber Mitbewerbern

Bereits in den Vorgängerstudien wurde festgestellt, dass kaum ein Radio sein Konzessionsgebiet publizistisch umfassend bearbeitet, wie dies in den Konzessionen verlangt wird. Stattdessen setzen sie geografische Schwerpunkte. Dass dies selbst in kleineren, homogenen Konzessionsgebieten der Fall ist, zeigt der Fall von Energy Bern, das seine Regionalinformation praktisch auf die Stadt Bern konzentriert und die übrigen Orte im Konzessionsgebiet kaum berücksichtigt. Auch Bern 1 berichtet mehrheitlich über Stadtberner Ereignisse, doch ist die Fokussierung auf das urbane Zentrum bei weitem nicht so ausgeprägt wie beim privaten Mitbewerber.

Insbesondere in grösseren, heterogenen Versorgungsräumen dient die geografische Schwerpunktsetzung auch der Abgrenzung gegenüber Mitbewerbern. Im Raum Zentralschweiz spielen die Stadt und der Kommunikationsraum Luzern zwar bei allen Radios eine wichtige Rolle in der Berichterstattung, doch setzt jeder Veranstalter noch weitere geografische Schwerpunkte, welche die Mitbewerber weniger berücksichtigen. Doch verhindert auch diese räumliche Differenzierung der drei Privatradios in der Zentralschweiz nicht, dass – zumindest in der Stichtagwoche – einige Gebiete im Konzessionsgebiet kaum oder gar nicht in der Berichterstattung aufscheinen. Im Besonderen betrifft dies die Kommunikationsräume Obwalden und Willisau/Sursee. Auch das Zentralschweizer Regionalprogramm von SRF 1 kann den Anspruch, das gesamte Versorgungsgebiet zu berücksichtigen, nicht einhalten. Es konzentriert einen Grossteil seiner Regionalinformation auf Stadt und Kanton Luzern.

Methodische Eckdaten

  • 2013 wurden in der Deutschschweiz Süd die folgenden Regionalprogramme berücksichtigt:
    Private: Radio Grischa, Engiadina, Rottu, Canal 3 (d), Radiofr (d), Central, Pilatus, Sunshine, Bern 1, Energy Bern, BeO, Neo1. SRF 1 Regionalprogramme: Bern-Freiburg-Wallis, Graubünden, Zentralschweiz
  • Stichprobe: Künstliche Woche (Werktage) im Zeitraum von Februar bis November 2013
  • Stichtage: Mo, 25. Februar, Di, 30. April, Mi, 26. Juni, Do, 29. August, Fr. 8. November
  • Analysierte Sendezeit: täglich 06.30 - 08.30; 11.30 - 13.30; 17.00 - 19.00 Uhr
  • Musikanalyse: Mittwoch, 26. Juni; 06.00 bis 18.00 Uhr
  • Analysierte Programmstunden total: 606

Weitere Informationen

Untersuchte Lokalradio-Programme in der Deutschschweiz (Süd) mit Konzession:

Radio Grischa, Radio Engiadina, Radio Rottu, Radio Canal 3 deutsch, Radiofr deutsch, Radio Central, Radio Pilatus, Radio Sunshine, Radio Bern 1, Radio Energy Bern, Radio BeO, Radio Neo1

Zu Vergleichszwecken einbezogen:

SRF 1: Regionalprogramme: Bern-Freiburg-Wallis, Grau-bünden, Zentralschweiz

Die wichtigsten Befunde:

1. Unterschiedliche Radiophilosophien bestimmen Programmformate
2. Hoher, aber abnehmender Stellenwert der Regionalinformation
3. Kein klarer Zusammenhang zwischen Informationsleistung und Gebühren
4. Geografische Schwerpunktsetzung dient der Abgrenzung gegenüber Mitbewerbern

Forschungsinstitut:

Publicom AG, 8802 Kirchberg


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Letzte Änderung 30.10.2014

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