Was hat die Schweiz bei der Digitalisierung bislang erreicht? Und welche Schwerpunkte soll sie in Zukunft setzen? Fast tausend Entscheidträgerinnen und Akteure der Digitalisierung befassten sich am 2. September an der Konferenz "Digitale Schweiz" in Basel mit diesen und weiteren Fragen. Unter ihnen waren auch Bundespräsident Ueli Maurer, Bundesrätin Simonetta Sommaruga und der Philosophie-Professor Luciano Floridi. – Sabine Brenner, Mitorganisatorin und Leiterin der Geschäftsstelle Digitale Schweiz beim BAKOM, blickt im Interview auf die Konferenz zurück.
Sabine Brenner: Der Bundespräsident stellte klar, dass für ihn das Ziel der Digitalisierung sei, dass die Schweiz durch effiziente Prozesse weltweit eine Führungsrolle einnimmt. Wir stehen seiner Ansicht nach am Anfang einer explosiven Entwicklung, in deren Zentrum ein exponentielles Wachstum an Daten stehe. Aus Sicht des Staates sei es daher essentiell zu regeln, wie man mit diesen Daten umgeht. Ausserdem müssten mehr Ressourcen in Forschung und Entwicklung fliessen, denn nur so könne die Schweiz ihre Position als erstklassiger Forschungsstandort ausbauen.
Sabine Brenner: Indem wir Technologien für den Menschen bauen. Das klingt banal, ist es aber nicht. Die Bedürfnisse der Menschen ändern sich. Damit müssen sich Unternehmen ebenso wie die öffentliche Hand auseinandersetzen und darauf reagieren können, als Anbieter von Dienstleistungen z.B. genauso wie als Arbeitgeber. Für Menschen mit Behinderungen lassen sich in der digitalisierten Welt sehr viel bessere individuelle Lösungen finden, als dies in der analogen Welt möglich ist. Die muss man aber von Anfang an mit bedenken.
Sabine Brenner: Was heute, was in Zukunft menschliche Privatsphäre und Selbstbestimmung ausmacht und was wir wie schützen wollen, muss diskutiert werden. Die schweizerische Regulierung auf diesem Gebiet muss sich weiterentwickeln, aber sie muss auch bis zu einem gewissen Grad internationale Standards aufgreifen.
Sabine Brenner: Ich war überrascht, wie positiv die Jungen die Digitalisierung grundsätzlich sehen. Sie haben aber auch ein sehr differenziertes Bild von verschiedenen Problemfeldern. Als Vertreterinnen und Vertreter der Schweizer Jugendparlamente waren diese jungen Leute vielleicht auch ein bisschen sensibilisierter als andere, was die Gestaltung der Zukunft anbelangt.
Sabine Brenner: Im Hinblick auf die Arbeitswelt wünschen sie sich eine gute Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben und möglichst viel Flexibilität. Allgemein fordern sie eine Förderung der digitalen Kompetenzen, aber nicht auf Kosten der sozialen Fähigkeiten in der analogen Welt. Sie fordern auch mehr Mitsprache und Tools zur Partizipation in politischen Prozessen auf Ebene der Städte und Gemeinden. Von Unternehmen verlangen sie mehr Transparenz im Umgang mit ihren Daten und prophezeien denjenigen, die dies nicht bieten, keine Zukunft.
Sabine Brenner: Die grossen globalen Plattformen verändern derzeit in vielen Bereichen die gewachsenen Strukturen, sei es im Detailhandel, im Tourismus oder in der Kommunikation. Die Strategie "Digitale Schweiz" geht davon aus, dass man der Wirtschaft zunächst einmal Raum zur digitalen Entfaltung geben muss. Aber es wird eine Aufgabe des Staates sein zu regeln, wie man mit den Datenmengen und den sie verarbeitenden Mechanismen umgeht, die hinter neuen Geschäftsmodellen stehen. Vor allem, wenn sie die freie Meinungsbildung und damit die Demokratie nachhaltig beeinflussen. Dass die Schweiz das nicht im Alleingang meistern kann, ist klar, es braucht hierzu einen internationalen Dialog.
Sabine Brenner: Eine Erkenntnis ist, dass es wenig bringt, grosse allumfassende Strategien auf diesem Gebiet zu entwerfen. Das Thema ist sehr vielschichtig. Eher sollte man versuchen, einzelne, klar umrissene Probleme auf lokaler oder regionaler Ebene zu lösen, indem man möglichst alle Betroffenen an einen Tisch holt. Ein Austausch zu diesen Lösungsansätzen auf übergeordneter Ebene ist wertvoll. Es stellt sich auch die Frage der Etablierung von einigen zentralen Infrastrukturen, von denen alle profitieren würden, z.B. für den Datenaustausch. Hier könnte auch der Bund eine Rolle spielen.
Sabine Brenner: Für eine Weiterentwicklung der Strategie wurde sehr häufig die Problematik Nachhaltigkeit bzw. Umwelt und Digitalisierung angesprochen. Auch Datenthemen wie der Datenschutz oder das Datenmanagement wurden oft genannt, ebenso wie Transparenz, Nachvollziehbarkeit von digitalisierten Prozessen und Entscheidungen sowie die Rolle des Staates dabei. Zentral für eine digitale Schweiz von morgen sind für viele auch Chancengleichheit, Solidarität und Partizipation. Auch die zukünftige Position einer digitalen Schweiz in Europa wurde mehrfach thematisiert.
Sabine Brenner: Für mich war eines der Highlights die Keynote von Luciano Floridi, Professor für Philosophie und Informationsethik an der Universität Oxford, weil sie unterhaltsam war, aber auch den Finger auf einige brennende Probleme legte. Den Auftritt der Jungen fand ich erfrischend. Wir werden uns überlegen, wie wir diese Zielgruppe in unser Prozesse einbinden können. Ich bin überzeugt, dass ein regelmässiger Austausch mit ihnen neue Chancen bietet.
Letzte Änderung 07.11.2019