Digitale Herausforderungen für den Service public

Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) haben seit Beginn der 1990er Jahre zu tiefgreifenden strukturellen Veränderungen in beinahe allen Bereichen von Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung geführt. Diese machen auch vor den klassischen Sektoren des Service public nicht Halt. Wie könnte der Staat die damit verknüpften Herausforderungen angehen und wie verändert sich die Grundversorgung? Diesen Fragen geht ein Bericht des Bundesrates nach, der am 12.10.2022 verabschiedet wurde.

Sabine Brenner und Lorenzo Garovi, Direktionsstab

Der Bericht kommt zum Schluss, dass der Service public kein statisches, unveränderbares Konzept ist. Vielmehr spiegelt er jeweils die Auffassungen der Gesellschaft wider, wie die Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft im Alltag mit grundlegenden Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen ist. Ein leistungsfähiger Service public bleibt aber auch in einer digitalen Schweiz eine zentrale Voraussetzung für die Lebensqualität der Bevölkerung, die Vitalität der politischen Institutionen und für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft – wenn vielleicht in etwas veränderter Form.

Plattformen setzen sich durch

Das Rückgrat der digitalen Transformation bildet die Telekommunikationsinfrastruktur zusammen mit der Stromversorgung. Entscheidender Treiber der heutigen Entwicklung ist die massenhafte Erhebung und Verwertung von Daten. Daten sind zu einer Schlüsselressource mit grossem Potential geworden. Eng damit verbunden ist der Aufstieg digitaler Plattformen wie Amazon, Facebook oder Google. Ein wesentliches Merkmal der digitalen Plattformen sind sich selbstverstärkende Effekte. Der Nutzen beziehungsweise die Attraktivität und der Wert der Plattform steigt mit der Anzahl der Nutzenden. Dies kann unter Umständen zu einer hohen Marktkonzentration führen bis hin zur Möglichkeit, dass sich eine einzige Plattform als dominierende Anbieterin durchsetzt. Der Wettbewerb auf dem Markt wird in solchen Fällen zu einem Wettbewerb um den Markt.

Aufbau von Dateninfrastrukturen

Diese Mechanismen der Digitalisierung machen auch vor den traditionellen Service-public-Sektoren nicht halt und stellen diese vor grosse Herausforderungen. So können Daten nebst der Strassen- und der Schieneninfrastruktur als dritte systemrelevante Infrastruktur betrachtet werden. Der Aufbau und Betrieb von sektorspezifischen Dateninfrastrukturen ergänzt die bisher bestehenden Leistungen des Service public. Ein Beispiel hierfür ist der Aufbau einer staatlichen Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI). Diese soll einen reibungslosen, sicheren und offenen Informationsfluss zwischen Infrastrukturbetreibern, Verkehrsunternehmen, privaten Anbietern und Verkehrsteilnehmenden ermöglichen. Auch im Energiebereich wird die Einrichtung eines nationalen «Datahubs» als Kern einer künftigen Energiedateninfrastruktur angestrebt. Der Datahub im Energiebereich soll ebenfalls möglichst frei von Partikularinteressen konzipiert und betrieben werden.

Ausbau der Grundversorgung

Gleichzeitig müssen existierende Grundversorgungsaufträge an die Bedürfnisse einer digitalen Gesellschaft und Wirtschaft angepasst werden können. Ein Katalog an zu erbringenden Leistungen ist dabei notwendigerweise entwicklungsoffen, denn er erfordert eine politische Diskussion. So soll ab 1. Januar 2024 ein Internetzugang von 80 Mbit/s das bisherige Grundversorgungsangebot von 10 Mbit/s ergänzen. Eine Hochbreitbandstrategie für die Schweiz ist in Vorbereitung. Zudem werden bis zum Sommer 2023 die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Grundversorgung mit Post- und Zahlungsverkehrsdiensten sowie eine Auslegeordnung zur Notwendigkeit und Machbarkeit einer digitalen Grundversorgung vertieft abgeklärt.

Weichenstellungen beim medialen Service public

Auch im Medienbereich sind verschiedene Massnahmen in Diskussion. Diese betreffen die Risiken durch illegale und schädliche Inhalte für die Öffentlichkeit auf Kommunikationsplattformen; das UVEK ist beauftragt, bis Ende 2022 aufzuzeigen, ob und allenfalls wie diese Kommunikationsplattformen reguliert werden könnten. Spezifisch zur Zukunft des medialen Service public hat der Bundesrat am 7. September 2022 die Grundzüge der neuen SRG-Konzession ab 2025 diskutiert. So soll die SRG ihren Online-Auftritt stärker auf Audio- und audiovisuelle Inhalte ausrichten. Ferner hat der Nationalrat sein Postulat "Szenarien für die Versorgung mit Dienstleistungen von Nachrichtenagenturen" (20.3949) am 17. Juni 2021 angenommen, welches den Bundesrat beauftragt, einen Bericht zum Thema vorzulegen. Dabei sollen auch Modelle aufgezeigt werden, wie eine nationale Nachrichtenagentur im Sinne des Service public betrieben und finanziert werden könnte.

Neuer Anlauf für das E-ID-Gesetz

Neben diesen sektorspezifischen Aktivitäten, die darauf ausgerichtet sind, den Service public ins digitale Zeitalter zu überführen, sind auch einige übergeordnete Massnahmen zu erwähnen, die nicht nur einen Sektor adressieren. In einer zunehmend mobilen Lebens- und Arbeitswelt kommt einer Infrastruktur, die es möglich macht, dass Bestätigungen aller Art von unterschiedlichsten Akteuren erstellt und auf ihre Echtheit hin überprüft werden können, eine besondere Bedeutung zu. Ein Anwendungsfall dieser noch aufzubauenden Infrastruktur ist der staatliche elektronische Identitätsnachweis (E-ID). Er erlaubt eine eindeutige Identifikation einer Person für Behörden- wie Privatgeschäfte. Die parlamentarische Beratung zum neuen E-ID-Gesetz beginnt voraussichtlich im Herbst 2023.

Als weitere Querschnittsmassnahme ist die Erarbeitung eines freiwilligen Verhaltenskodex für den Betrieb von vertrauenswürdigen Datenräumen zu nennen. Diese soll unter Federführung von UVEK und EDA zusammen mit allen relevanten Akteuren entstehen und dem Bundesrat bis Juni 2023 vorgelegt werden.

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Letzte Änderung 30.11.2022

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