Die Fernsehprogramme der SRG SSR 2013

Mindestens drei Viertel des täglichen Programmangebotes der SRG SSR wurde 2013 in den deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Fernsehprogrammen mit redaktionellen Inhalten gefüllt. Kindersendungen, Sport, fiktionale und nonfiktionale Unterhaltung sowie Magazine, Reportagen und Nachrichten werden dem Publikum täglich an mindestens 18 Stunden zur Verfügung gestellt.

Innerhalb des fernsehpublizistischen Angebotes, also denjenigen Sendungen mit dem grössten Potenzial zur Informationsvermittlung, haben Nachrichten einen zentralen Stellenwert – gerade weil sie eine hochaktuelle und besonders relevante Berichterstattung bieten. Je nach Programm machen Nachrichten mehr als 50 Prozent der fernsehpublizistischen Sendezeit eines durchschnittlichen Programmtages aus. Nachrichten sind das am klarsten strukturierte und am wenigsten bestrittene Informationsangebot im Fernsehen. Ob jedoch in einem Format tatsächlich kontroverse Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufbereitet werden, lässt sich erst durch die Analyse der Themenstruktur beantworten: Im Jahr 2013 wurde in den SRG-Programmen mindestens ein Drittel der Nachrichtensendezeit für die Berichterstattung kontroverser Themen aufgewendet.

Kontroverses in den Nachrichten

Innerhalb der Fernsehpublizistik gelten Nachrichten als besonders zentrale Formate im Informationsangebot, da sie anders als viele Dokumentations- oder Reportageformate eine tagesaktuelle Berichterstattung zu wichtigen Ereignissen bieten. Ein grosses Fernsehpublikum erreichen die Hauptausgaben der universellen Nachrichtensendungen, die zu bester Sendezeit ins Programm gerückt werden und vom Grundsatz her für alle journalistischen Thematisierungen offen sind. In den Programmen der SRG sind dies die täglich zeitgleich um 19:30 Uhr ausgestrahlte "Tagesschau" auf SRF 1 und SRF info sowie "Le Journal" auf RTS Un und RTS Deux und die um 20:00 Uhr ausgestrahlte Hauptausgabe des "Telegiornale" auf RSI La 1.

Nicht nur aufgrund ihres prozentualen Anteils am Gesamtprogramm oder an der Fernseh-publizistik sind Nachrichtenformate besonders relevant, sondern auch hinsichtlich ihres spe-zifischen Themensettings. Im Vergleich zu anderen fernsehpublizistischen Formaten greifen Nachrichtensendungen überdurchschnittlich oft gesellschaftlich relevante, weil kontrovers diskutierte Tagesereignisse heraus und vermitteln Informationen, die für die Information und Kommunikation in der Gesellschaft zentral erscheinen. Sie sind daher geeignete Gefässe, um dem Programmauftrag der SRG SSR nachzukommen, eine "umfassende, vielfältige und sachgerechte Information insbesondere über politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge" (RTVG, Art. 24, Abs. 4a) zu bieten. Die vorrangige Rolle der Nachrichten für die Thematisierung gesellschaftlich relevanter und kontrovers diskutierter Begebenheiten zeigt sich, wenn die Themenverteilung der gesamten Fernsehpublizistik derjenigen der Nachrichten gegenübergestellt wird. Rund 8 (RSI La 2) bis 15 (SRF 1) Prozent der fernsehpublizistischen Sendezeit ist kontroversen Themen gewidmet.

Wird nur die Themensetzung der Nachrichtenformate – inklusive spezifischer Formate wie Wetter- oder Börsennews – betrachtet, erhöhen sich die Anteile kontroverser Themen stark (aus dieser Betrachtung wird SRF zwei ausgeschlossen, weil das Programm in den Stichprobenwochen des Berichtsjahres 2013 keine Nachrichten ausstrahlte). In rund 34 (RTS Deux) bis hin zu 45 Prozent (SRF info) der Sendezeit beschäftigen sich Nachrichtensendungen mit kontrovers diskutierten Ereignissen und Entwicklungen. Über alle Programme hinweg – SRF info ausgeschlossen – erhöht sich der Anteil kontroverser Themen an der Sendezeit um 23 (RTS Deux) bis 30 (RSI La 2) Prozentpunkte, werden nur noch die Nachrichtenformate betrachtet. Der bereits hohe Anteil kontroverser Themen von 30 Prozent in der Fernsehpublizistik von SRF info steigt unter dieser Bedingung ebenfalls um weitere 15 Prozentpunkte an (vgl. Abbildung 4). Werden gesellschaftlich kontrovers diskutierte Themen als vorrangig für den gesellschaftlichen Diskurs betrachtet, zeigt sich also, dass gerade Nachrichten eine besonders relevante Art der Informationsleistung erbringen.

Ein näherer Blick auf die Themenverteilung zeigt ausserdem, dass die kontroverse Bericht-erstattung der Fernsehprogramme der SRG zu einem grossen Teil auf den politischen Bereich entfällt. So widmeten die Programme im Berichtsjahr 2013 an einem durchschnittlichen Sendetag rund einen Viertel (RTS Un und Deux mit jeweils gegen 26 Prozent) bis einen Drittel (SRF 1 und RSI La 1 mit je 34 Prozent, RSI La 2 mit 32 Prozent und SRF info mit 35 Prozent) der Nachrichtensendezeit der nationalen und internationalen Politik .

Unterschiedliche Schwerpunkte je nach Sprachregion

Augenfällig ist der unterschiedliche Fokus, den die Programme innerhalb ihrer politischen Berichterstattung wählen. Während die deutschsprachigen Programme eher über ausländische als über inländische Politik berichten, strahlen die französischsprachigen Programme um je etwas über 3 Prozentpunkte mehr inländische Nachrichtenthemen zur Politik aus. Einen deutlichen Schwerpunkt auf politische Geschehnisse auf nationaler und regionaler Ebene legen die italienischsprachigen Programme: In 27 respektive 28 Prozent der Nachrichtensendezeit berichten RSI La 1 und RSI La 2 über inländische Politik, während sich die Werte für ausländische Politik auf gerade einmal rund 7 respektive 4 Prozent belaufen. Sowohl die spezifischen Nachrichtenformate als auch die Themen spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle: Diese Programmierung, die sich ähnlich bereits 2012 beobachten liess, ist zum einen dem täglichen Nachrichtenformat "Il Quotidiano" von RSI La 1 geschuldet. Zum anderen aber lag gerade in der Frühjahrsstichprobe mit den Gemeindewahlen in Lugano ein Ereignis von regionaler Bedeutung vor, über das auch im "Telegiornale" intensiv berichtet wurde.

Im Vergleich zum letzten Berichtsjahr 2012 verhielt sich die weitere Verteilung der Themen über beide Stichproben 2013 hinweg relativ stabil. So strahlten sämtliche Programme in ihren Nachrichten einen relativ hohen Anteil an nichtpolitischen Sachthemen (zwischen rund 14 Prozent auf SRF 1 bis hin zu rund 28 Prozent auf RTS Deux) aus. RSI La 1 und La 2 weisen in ihren Nachrichten im Vergleich zu den anderen Programmen relativ viele Beiträge über Lebensweltthemen auf. Sie berichteten in den zwei untersuchten Stichprobenwochen während rund 5 Prozent der täglichen Nachrichtensendezeit über nutzerorientierte Gesundheitsthemen.

Eigene Sprachregion im Vordergrund

Der Service-Public-Auftrag an die SRG bezieht explizit den Austausch und die Kommunikation zwischen den verschiedenen Landesteilen und Sprachgemeinschaften der Schweiz mit ein (RTVG Art. 24, Abs. 1). Im Rahmen der kontinuierlichen Fernsehprogrammforschung wird erfasst, inwiefern die Programme der SRG in ihren fernsehpublizistischen Themenbeiträgen einen Bezug zu den unterschiedlichen Sprachregionen herstellen. Dabei werden bis zu drei Regionalbezüge innerhalb eines Beitrages erfasst.

2013 wurden in den deutschsprachigen Programmen 40 bis 64 Prozent der Themenbeiträge ohne jeglichen Regionalbezug ausgestrahlt. Diese Prozentsätze liegen damit deutlich über den Anteilen der französisch- und italienischsprachigen Programme ohne Regionalbezug (RTS: 23 respektive 31 Prozent; RSI: 25 respektive 27 Prozent). Insbesondere für SRF zwei lassen sich diese Werte auf die vermehrte Ausstrahlung von eingekauften Produktionen zurückführen, in denen aufgrund des Produktionslandes die Wahrscheinlichkeit für Bezüge zur Schweiz gering ist. Fernsehpublizistische Sendungen auf SRF zwei aus dem Jahr 2013 waren beispielsweise "Top Gear" aus Grossbritannien sowie "Storage Wars" oder "Pawn Stars" aus den USA.

Betrachtet man die pauschalen Schweiz-Bezüge, so weisen die Programme der SRG in 23 (RSI La 2) bis 37 Prozent (SRF 1) der Themenbeiträge auf die Schweiz als Ganzes hin. Für SRF 1 und SRF zwei fällt auf, dass diese pauschalen Bezüge zur Schweiz ebenso häufig hergestellt werden wie Bezüge zur eigenen Sprachregion. Anders formuliert: Gesamtschweizerische und deutschschweizerische Bezüge erhalten in den deutschsprachigen Programmen denselben Stellenwert. In den ersten und zweiten Programmen von RTS und RSI besteht eine stärkere Fokussierung auf die jeweils eigene Sprachregion. So wird beispielsweise auf RTS Un in 60 Prozent und auf RSI La 1 in 48 Prozent der Beiträge auf die je eigene Sprachregion Bezug genommen. Nach den Regionalbezügen zur eigenen Sprachregion an erster Stelle sowie den pauschalen Bezügen zur gesamten Schweiz an zweiter Stelle folgen für alle französisch- und italienischsprachigen Programme die Bezüge zur Deutschschweiz. Um Verzerrungen zu vermeiden, werden Bezüge, die sich auf Bern als Standort von Bundeshaus und Bundesverwaltung beziehen, gesondert als Kategorie "Behörden" ausgewiesen. Obwohl Regionalbezüge zur Deutschschweiz durch Behörden ausgenommen sind, kann wie in vorangegangenen Untersuchungen auch im Zusammenhang mit der grössten Sprachregion von einem gewissen Gravitationseffekt gesprochen werden: Auf RTS und RSI werden im Untersuchungszeitraum in mindestens 14 (RTS Deux) und maximal 23 Prozent (RSI La 2) der Beiträge Bezüge zur deutschsprachigen Schweiz hergestellt. Anders sieht dies für die anderssprachigen Regionen auf SRF aus. Bezüge auf die französischsprechende Schweiz werden im Untersuchungszeitraum in mindestens 6 Prozent der Beiträge auf SRF zwei und maximal 13 Prozent der Beiträge auf SRF info hergestellt.

In den deutsch- und französischsprachigen Programmen sind Bezüge zur italienischsprachi-gen Schweiz mit 1 Prozent auf SRF zwei und einem Höchstwert von 5 Prozent auf SRF info wenig präsent. Die Anteile der Regionalbezüge zur rätoromanischen Sprachgemeinschaft schwanken zwischen weniger als 1 Prozent in den Programmen von RTS bis zu 9 Prozent auf RSI La 2. Die meisten Bezüge zur rätoromanischen Schweiz werden innerhalb des Fensterprogrammes RTR und dessen Sendungen "Telesguard" oder "Cuntrasts" hergestellt.

Zusammenfassend bleibt die Verteilung der Werte zueinander, wie bereits im Jahr 2012, stabil: Die jeweils eigene Sprachregion ist zusammen mit einem pauschalen Schweiz-Bezug präsenter als die jeweils anderen Sprachregionen. Die italienisch und rätoromanisch sprechende Schweiz bildet meistens das Schlusslicht.

Methodische Eckdaten

Im Rahmen der Studie werden halbjährlich SRF 1 und SRF zwei, RTS Un und RTS Deux, RSI La 1 und RSI La 2 sowie SRF info für die Dauer einer Woche aufgezeichnet. Pro Stich-probenwoche werden 49 Programmtage beziehungsweise 1176 Programmstunden ausgewertet.

Mithilfe einer quantitativen Inhaltsanalyse untersucht die Forschungsgruppe in einer ersten Teilerhebung das Gesamtprogramm, wobei werbliche von redaktionellen Programminhalten unterschieden werden, und führt eine Format- und Genreanalyse durch. In einer zweiten Teilerhebung werden alle fernsehpublizistischen Beiträge – beispielsweise in Nachrichten, Magazinen, Dokumentationen oder Talksendungen – einer inhaltlich-thematischen Codierung unterzogen.

Weitere Informationen

Untersuchte Fernsehprogramme der SRG SSR:

SRF 1, SRF 2, SRF info, RTS Un, RTS Deux, RSI La1, RSI La2

Die wichtigsten Befunde:

1. Regional markant unterschiedliche Programmprofile
2. Hohe Unterhaltungsanteile auf SRF zwei, RTS Un und RSI La1
3. Sprachregionaler Austausch hat zugenommen
4. Programm von SRF info besteht zu mehr als neun Zehnteln aus Wiederholungen

Forschungsinstitut:

Departement für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Freiburg, 1700 Freiburg


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Letzte Änderung 30.10.2014

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