Als Mitglied des schweizerischen Nationalkomitees nahm das BAKOM an der 34. Generalversammlung der Internationalen Union der Radiowissenschaften (URSI) teil, die vom 28. August bis zum 4. September 2021 in Rom stattfand. Die Intensivkurse, Vorträge von erfahrenen Professoren und Wissenschaftlerinnen sowie Präsentationen junger Forschender deckten alle Themen der Radiowissenschaften ab: von der Theorie der elektromagnetischen Wellen bis hin zu deren Anwendungen in der Biologie und Medizin. Aufgrund der Covid-19-Pandemie wurde die Generalversammlung zum ersten Mal in der hundertjährigen Geschichte der Union in einem Hybridformat abgehalten. Rund 400 internationale Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten an der Universität La Sapienza mehr als zehn parallel ablaufende Sessionen, während etwa 800 Personen die Veranstaltung online mitverfolgten.
Dr. Ivica Stevanovic, Abteilung Konzessionen und Frequenzmanagement
Als die URSI vor über 100 Jahren gegründet wurde, sah der Bereich der Radiowissenschaften noch ganz anders aus. Im Laufe der Jahre hat er sich dann zu einem sehr breiten interdisziplinären Gebiet entwickelt, dessen Anwendungen von der Telekommunikation bis hin zur Radioastronomie reichen. Auch die URSI hat mit diesen Entwicklungen Schritt gehalten. So besteht die Union heute aus zehn wissenschaftlichen Kommissionen. Das BAKOM vertritt die Schweiz in der Kommission, die sich mit der Wellenausbreitung und der Fernerkundung befasst. An den Generalversammlungen haben die Fachleute die Gelegenheit, sich über die neuesten Forschungsarbeiten im Bereich der Radiowissenschaften auszutauschen.
Unter den zahlreichen Themen, die an der 34. Generalversammlung diskutiert wurden, sind für das BAKOM der Vorschlag zur Abschaffung der Schaltsekunde und die Richtlinien der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) betreffend die elektromagnetische Strahlung von besonderem Interesse.
URSI-Empfehlung zur Schaltsekunde (Leap Second)
Aufgrund von Unregelmässigkeiten und der langfristigen Verlangsamung der Rotationsgeschwindigkeit der Erde ist die Sonnenzeit Schwankungen unterworfen. Um die Differenz zwischen dieser beobachteten ungenauen Sonnenzeit und der genauen, von Atomuhren gemessenen Zeit auszugleichen, wird daher die koordinierte Weltzeit (Universal Time Coordinated, UTC) gelegentlich um eine Sekunde angepasst. Diese Sekunde wird Schaltsekunde genannt.
Seit 1972 wurde eine solche Schaltsekunde 27 Mal eingefügt. Dies hat zu ernsthaften Problemen und Ausfällen in modernen Systemen wie bei der Satellitennavigation oder in Computernetzwerken geführt, die auf eine kontinuierliche Referenzzeit angewiesen sind. Die Internationale Fernmeldeunion (ITU), der das BAKOM angehört, hat lange darüber diskutiert, ob an der Praxis des Einschiebens von Schaltsekunden festgehalten werden soll oder nicht. Sie wird die Frage an der nächsten Weltfunkkonferenz im Jahr 2023 erneut behandeln.
An der Generalversammlung in Rom beschloss der URSI-Rat, der ITU zu empfehlen, diese Praxis aufzugeben und damit die UTC zu einer kontinuierlichen Referenzzeit zu machen.
Vorstellung der ICNIRP-Richtlinien
Rodney Croft, australischer Professor und Vorsitzender der ICNIRP, hielt einen Vortrag über die ICNIRP-Richtlinien für die Begrenzung der Exposition durch elektromagnetische Felder.
Die ICNIRP ist eine gemeinnützige, von der Industrie unabhängige Nichtregierungsorganisation. Sie erarbeitet und verbreitet Richtlinien für die Begrenzung der Exposition gegenüber nichtionisierender Strahlung. Mit diesen Richtlinien, die den Radiofrequenzbereich zwischen 100 kHz und 300 GHz abdecken, soll der Schutz vor schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit gewährleistet werden. Die ICNIRP-Expositionsgrenzen stellen sicher, dass die Exposition gegenüber Radiofrequenzen bei verschiedenen Expositionszeiten und -bereichen (gesamter Körper oder Körperregionen) sowie Frequenzen nicht schädlich ist. Die Anwendung dieser Grenzwerte schützt vor allen schädlichen Wirkungen von elektromagnetischer Strahlung, unabhängig vom zugrunde liegenden Mechanismus (thermisch, biologisch usw.), sofern die Auswirkungen wissenschaftlich auf breiter Basis nachgewiesen sind. Die Grenzwerte beinhalten einen grossen Sicherheitsspielraum, um allen potenziellen schädlichen Wirkungen Rechnung zu tragen, die nicht zwingend nachgewiesen oder bewiesen sind.
In seinem Vortrag ging Professor Croft auf die drängendsten Fragen zu den Auswirkungen von Radiofrequenzstrahlung auf den menschlichen Körper ein. Dabei erklärte er Folgendes:
- Die Richtlinien beziehen alle Forschungsergebnisse mit ein und berücksichtigen sämtliche Studien über die potenziellen schädlichen Wirkungen von Radiofrequenzfeldern.
- Die in den Richtlinien festgelegten Grenzwerte schützen nicht nur vor thermischen Effekten, sondern vor allen potenziellen schädlichen Wirkungen.
- Die Berichte über die krebsauslösende Exposition gegenüber Radiofrequenzen wurden von der ICNIRP eingehend geprüft. Die wissenschaftlichen Studien zeigen jedoch nicht, dass Radiofrequenzfelder, deren Stärke unterhalb der in den ICNIRP-Richtlinien festgelegten Grenzwerte liegt, Krebs verursachen oder fördern.
- 5G ist hinsichtlich der Strahlenbelastung keine neue Technologie. Es gibt bereits umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, welche Wirkungen elektromagnetische Felder je nach Frequenz auf den Körper haben (einschliesslich der 5G-Frequenzen im Millimeterwellenbereich).
Die letzte Version der ICNIRP-Richtlinien wurde 2020 veröffentlicht und kann auf der ICNIRP-Website kostenlos heruntergeladen werden.
Die Schweiz und die URSI
Die URSI ist eine gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, die dem Internationalen Wissenschaftsrat untersteht. Sie wurde 1919 mit dem Ziel gegründet, Studien, die Forschung, Anwendungen und den wissenschaftlichen Austausch in den Bereichen der Radiowissenschaften anzuregen und zu koordinieren. Diese Aufgabe ist bis heute aktuell geblieben. Ihre erste Generalversammlung fand 1922 in Belgien mit nur vier Nationalkomitees (Belgien, Frankreich, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten) statt. Heute zählt die Union 44 Nationalkomitees, darunter auch die Schweiz, die in der URSI schon immer eine wichtige Rolle eingenommen hat. Tatsächlich wurde die neunte Generalversammlung der Union 1950 in Zürich abgehalten. Darüber hinaus war der angesehene, heute emeritierte Professor Fred Gardiol von der ETH Lausanne von 1990 bis 1993 Vorsitzender der URSI-Kommission B (Felder und Wellen).
Die Mitglieder des schweizerischen Nationalkomitees der URSI werden von der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz ernannt. Derzeit gehören folgende Personen dem Komitee an:
- Prof. Anja Skriverik (ETHL) für die Kommission B: Felder und Wellen
- Prof. Marcos Rubinstein (HEIG-VD) für die Kommission C: Funkkommunikationssysteme und Signalverarbeitung, Vorsitzender des schweizerischen Nationalkomitees der URSI
- Dr. Alexandre Schmid (ETHL) für die Kommission D: Elektronik und Photonik
- Dr. Mohammad Azadifar (Fischer Connectors) für die Kommission E: Elektromagnetisches Rauschen und Interferenzen
- Dr. Ivica Stevanovic (BAKOM) für die Kommission F: Wellenausbreitung und Fernerkundung
- Prof. Niels Kuster (ETHZ) für die Kommission K: Elektromagnetismus in Biologie und Medizin.
Letzte Änderung 06.12.2021