WSIS Tunis 2005 - Engagement und Bilanz der Schweiz

Die zweite Phase des WSIS fand vom 16. - 18. November 2005 in Tunis statt. Die Schweiz setzte sich dabei für eine nachhaltige Sicherung und Weiterentwicklung des Erfolges der ersten Phase ein. Bundespräsident Samuel Schmid nahm an der Eröffnung des Gipfels teil. Bundesrat Moritz Leuenberger vertrat die Schweiz im fachlichen Teil und an der Schlusszeremonie.

Die Schweiz hatte an den Vorbereitungsarbeiten der zweiten Phase aktiv mitgearbeitet und der ITU und der UNO mehrere Personen zur Ausübung wichtiger Funktionen zur Verfügung gestellt. Am WSIS Tunis 2005 nahmen 46 Staatschefs oder Regierungschefs (VVIPs) und 197 Minister und Vizeminister teil. Insgesamt waren 18'000 Teilnehmer aus 174 Staaten für den politischen Teil des Gipfels registriert. Die Ausstellung "ICT4all" als grösste von rund 200 Parallelveranstaltungen des Gipfels wurde von 80'000 Personen besucht. Diese Zahlen zeigen, dass es während der ersten Phase und in der Vorbereitung der zweiten Phase gelungen ist, die vor Genf 2003 vorhandene Skepsis und das Desinteresse gegenüber dem WSIS-Prozess abzubauen und den WSIS als wichtiges politisches Ereignis und als Plattform der Begegnung und des Austauschs zwischen Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zu etablieren. Die in Genf geleistete Pionierarbeit hat also nachhaltige Früchte getragen.

Bundespräsident Samuel Schmid hielt in Tunis am 16. November die Eröffnungsrede im Namen der Schweiz als Gastgeberland der ersten Phase. Bundesrat Moritz Leuenberger präsentierte am 17. November das Schweizer Statement im Rahmen der General Debate und hielt die Rede im Namen der Schweiz anlässlich der Schlusszeremonie des 18. Novembers. Die offizielle Schweiz war am WSIS Tunis 2005 mit zwei Pavillons vertreten. Nebst einem Schweizer Landespavillon in der Ausstellung ICT4all betrieb die Schweiz als Gastgeberland der ersten Phase auf Einladung von Tunesien einen Ehrenpavillon im Kernbereich des Gipfels. Während das Interesse der Schweizer Privatwirtschaft am WSIS-Prozess eher bescheiden blieb, hat sich der intensive Austausch mit der nationalen Zivilgesellschaft bei der Vorbereitung und Durchführung der zweiten Phase des WSIS als gegenseitige Bereicherung erwiesen.

Inhaltlich verfolgte die Schweizer Delegation am WSIS Tunis 2005 dasselbe Hauptziel wie bei der ersten Phase des WSIS: Die Schaffung einer Informationsgesellschaft, die alle einschliesst, also gerade auch die weniger Privilegierten, die älteren und behinderten Menschen sowie Menschen, die noch keinen Zugang zu den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) haben. Dabei dürfen diese Technologien nie Selbstzweck sondern können jeweils nur Werkzeug sein. Die Schweizer Delegation betonte zudem die Bedeutung der Information selbst und die Rolle der Menschenrechte, insbesondere der Informations- und Meinungsfreiheit sowie die Bedeutung der unabhängigen und pluralistischen Medien in einer freien Gesellschaft.

Inhaltliches Resultat im Rahmen der Erwartungen

Das inhaltliche Resultat des WSIS Tunis 2005 entspricht den Erwartungen der Schweiz und kann als positiv bezeichnet werden. Nach langen und harten Verhandlungen konnte das Ergebnis des WSIS Genf 2003 bestätigt und in den noch offenen Fragen weiterentwickelt und konkretisiert werden.
Beim politischen Dokument ("Tunis Commitment") gelang es, die Genfer Prinzipienerklärung zu bekräftigen und eine Abschwächung oder gar Widersprüche zwischen den beiden politischen Dokumenten zu verhindern.

Finanzierungsmechanismen für ICT for Development (ICT4D)

Beim operationellen Dokument "Tunis Agenda for Implementation" stellt das Kapitel zu den Finanzierungsmechanismen für ICT for Development (ICT4D) die bessere Nutzung bestehender Mechanismen ins Zentrum. Dabei spielt die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, welche Investitionen des Privatsektors fördern, eine wichtige Rolle. In den ärmsten Ländern und in den Randregionen, wo Marktkräfte allein nicht ausreichen, braucht es aber zusätzliche Bemühungen von Regierungen und dem Privatsektor.

Internet Governance

Der verabschiedete Text zum Thema Internet Governance etabliert eine Definition der Internet Governance, identifiziert die Aspekte des Internets, welche von öffentlichem Interesse sind ("Public Policy Issues"), und definiert die Rollen der verschiedenen Partner und Stakeholders bezüglich der Internet Governance. Die Genfer Prinzipien, wonach die Internet Governance multilateral, transparent und demokratisch gestaltet werden sollte, wurden ebenso bekräftigt wie die Forderung nach einer stärkeren Vielsprachigkeit im Internet. Als treibende Kraft für die Entwicklung des Internets werden Privatwischaft und Zivilgesellschaft genannt. Den Regierungen kommt hingegen eine spezielle Rolle bezüglich der Public Policy Issues zu und die Souveränität der Staaten bezüglich ihrer Country-Code-Top-Level-Domain (z.B. ".ch") wird anerkannt. Die Zusammenarbeit der verschiedenen internationalen und intergouvernementalen Organisationen in allen Bereichen der Internet Governance soll verbessert werden. Die Staaten sollen zudem aktiv zur Verbesserung der Sicherheit und zur Bekämpfung von Spam und Cybercrime zusammenarbeiten. Die Informations- und Meinungsäusserungsfreiheit im Internet muss gewährt bleiben, auch im Rahmen der Terrorismusbekämpfung im Internet. Zudem sollen Lösungen gesucht werden, wie die Entwicklungsländer besseren Zugang zum Internet erhalten können und deren Interkonnektionskosten gesenkt werden können.

Um den Dialog und den Einbezug aller Partner zu verbessern, soll ein allen Interessierten offenstehendes Internet Governance Forum (IGF) geschaffen werden, in welchem alle Aspekte der Internet Governance diskutiert werden sollen. Dieses Forum soll auf den bestehenden Strukturen der Internet Governance aufbauen und wird keinerlei Kontroll- oder Aufsichtsfunktion innehaben. Zudem hat die Staatengemeinschaft anerkannt, dass künftig eine verstärkte Zusammenarbeit aller Stakeholders zur Entwicklung der Stabilität, Sicherheit und Kontinuität des Internets nötig ist und dass nicht ein Land allein, sondern alle Staaten in gleicher Weise zu dieser Entwicklung beitragen sollen. Der Einbezug der Entwicklungsländer in die bestehenden Gremien soll ebenfalls verbessert werden.

Der WSIS Tunis 2005 stellt einen bedeutenden Schritt zur Sicherung der Offenheit des Internets und der Internationalisierung der Internet Governance dar. Es ist gelungen, das Thema Internet Governance unwiderruflich in der Agenda der Internationalen Organisationen zu verankern. Um die in Genf und Tunis definierten Ziele zu erreichen, muss der internationale Druck aber weiterhin aufrechterhalten bleiben. Das BAKOM, welches die Schweiz im Governmental Advisory Committee (GAC) von ICANN vertritt, wird sich für diese Ziele weiterhin einsetzen.

Umsetzung der Ergebnisse

Auch bezüglich der Umsetzung der Resultate von Genf und Tunis sowie des Follow-up Mechanismus für den WSIS-Prozess konnte in Tunis ein aus Schweizer Sicht positives Ergebnis erzielt werden.

Mit dem "Stocktaking"-Bericht und der dazugehörigen Datenbank und dem "WSIS Golden Book" wurden am Gipfel zwei weitere Dokumente präsentiert, die den verschiedenen Stakeholders die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen und zu zeigen, welche Projekte und Initiativen zur Umsetzung der WSIS-Resultate im Gange, bereits abgeschlossen oder geplant sind. Die Schweiz hat zu diesen Papieren wesentliche Anstösse geliefert.

Bilanz in der Frage der Menschenrechte

Das Gastgeberland der zweiten Phase hat es während des SMSI klar verpasst, ein Zeichen für die Verbesserung der Menschenrechte zu setzen. In Tunis wurden zahlreiche Veranstaltungen tunesischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen verhindert. Zudem wurde die Rede von Bundespräsident Samuel Schmid im tunesischen Fernsehen zensiert. Die Schweizer Delegation hat bezüglich dieser Problematik im Vorfeld, während und im Nachgang des Gipfels mehrmals bei den tunesischen Behörden interveniert. Dennoch kann man der Veranstaltung auch aus menschenrechtlicher Sicht positive Aspekte abgewinnen, denn sie hat dem Thema der Menschenrechte eine hohe internationale Visibilität verliehen.

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Letzte Änderung 13.06.2007

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